Startschuss: langeleine.de hat seine Veranstaltungsreihe KULTURKIOSK eröffnet
Manche Gerüchte sind aus dieser Stadt einfach nicht wegzudenken. Dazu gehört auch die Mär von dem Stadtteil Linden, der angeblich die höchste Kioskdichte Deutschlands aufweist. Dem standen die Macher des Online-Journals langeleine.de nicht entgegen: Am Freitag, den 10. November eröffneten sie in der Faust-Warenannahme ihre Veranstaltungsreihe DER KULTURKIOSK. Fortan soll es alle vier Monate eine abwechslungsreiche Kultur-Matinee mit wechselnden hannoverschen Künstlern und Kulturschaffenden geben.
Begeisterte den Kulturkiosk: Das Ein-Mann-Orchester Cellolitis
Kultur im Fluss
Im Juni hatte das Online-Journal vor ausverkauftem Haus seine Release-Party mit einem großen Hannover-Kultur-Spezial gefeiert. Dieses Mal sollte unter dem Motto „Kulturfluss“ die Leine zum Beben gebracht werden. Dazu hatte die Redaktion unterschiedliche einheimische Künstler an den KULTURKIOSK geladen. Henning Chadde und Jörg Smotlacha führten als Conférenciers locker durch den Abend. Später gesellten sich auch die beiden anderen hauptverantwortlichen langeleine.de-Mitbegründerinnen Kathrin Tegtmeier und Heike Werner auf die Bühne.
Chimäre der Neuzeit
Vor dem Dekor einer mit Schwarz-Weiß-Fotografien gestalteten Kiosklandschaft trat als erster Künstler der Burgdorfer Stefan Heuer ans Mikrofon. Seine Assemblage-Kunst im Stil eines Kurt Schwitters wurde an diesem Abend im anliegenden Café Siesta ausgestellt.
Die Moderatoren Jörg Smotlacha und Henning Chadde im Gespräch mit Stefan Heuer
Bevorzugtes Motiv auf Stefan Heuers Werken stellte eine graue Chimäre da, die sonst eher als Skulptur von Kirchenportalen herunter blickt. Zwischen rostigen Zahnrädern, zerrissenen Postkarten, Plastiktütenfetzen und anderem Stadtabfall-Gut schaute sie immer wieder hervor. Im Ganzen eine künstlerische Trutzburg in Zeiten von Computeranimation, Grafikdesign und Photoshop, die nicht ihre Neugier weckende Wirkung verfehlte.
Politisch inkorrektes Gebäck
Den ersten Glanzpunkt des Abends setzte der 40-jährige Peter Märtens. Obwohl ein Frischling unter Hannovers Literaten, hat er schon einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht. Am KULTURKIOSK überzeugte er mit drei Kurzgeschichten, in denen es um politisch inkorrektes Gebäck („ein Amerikaner“ versus „ein Türke“), eine schaurig nüchtern vorgetragene Drogengeschichte und um einen One-Night-Stand mit der Ikone der deutschen Frauenbewegung, Alice Schwarzer, ging. Besonders die letzte Geschichte, die sich im Kölner Kneipensumpf abspielte, bestach durch ihren humorvollen bis derben Erzählstil.
Strubbelkopf mit klaren Gedanken: Peter Märtens
Kokettes Klappmaul
Mit dem Handpuppenspieler Peter Böttcher ging es kurios durch den weiteren Abend. Auf der Bühne und im Foyer lieferte er sich einen koketten Schlagabtausch mit seinem Alter Ego Karl-Friedrich von Möchtegern, einer Klappmaulpuppe mit beweglichen Augen. Einige der rund 200 Gäste, darunter auch stadtbekannte Prominente aus Politik und etablierter Literaturszene, hinterließ die Two-in-One-Man Show allerdings etwas ratlos. Hatte Böttcher doch vergessen zu erwähnen, dass einige seiner Sketche ganz offensichtlich nicht aus der eigenen Feder stammten.
Peter Böttchers Handpuppen-Rocker Karl-Friedrich von Möchtegern
Horror auf Super 8
Wie schon beim ersten langeleine-Kulturabend gab es auch wieder eine filmische Darbietung. Allerdings präsentierte Thommi Baake in der Gestalt des gutmütigen „Lothar“ keine Eigenproduktionen, sondern verblüffte mit einer Auswahl skurriler Super-8-Filme. Er konzentrierte sich dabei auf die wohl bekanntesten Genres der 1970er-Jahre: den Italowestern, Martial-Arts- und Horrorfilme. Ausschnitte zeigend, machte Lothar auf die Ungereimtheiten seiner mitgebrachten Schmalfilme aufmerksam.
Im Scheinwerferlicht des Kulturkioskes
Das Publikum zeigte sich vor allem deshalb amüsiert, weil die Dramaturgie der Filme und die jeweilige deutsche Übersetzung Jahrzehnte danach einfach nicht mehr zeitgemäß erschienen. Gleichzeitig stellte der lispelnde Filmkonservator lehrmeisterhaft Fragen an das Publikum, das er zum Lohn für korrekte Antworten mit Geschenken bedachte, die Schulkinder normalerweise zum Schrottwichteln nehmen würden. Zum Abschluss überraschte Baake mit zwei begeistert beklatschten, filmgestützten Beatles-Interpretationen in deutscher Sprache.
Im Schmalfilmparadies zu Hause: Thommi Baake als Lothar
Cellist unter Strom
Als sich die Bühne nach der Pause in bläulich-lila Scheinwerferlicht tauchte, trat Niko Herdieckerhoff alias Cellolitis hervor. Was unter Rockern als angemessener Dresscode gilt, wäre in einem klassischen Konzert eher geduldet als erwünscht: Der Musiker setzte sich mit schulterfreiem Shirt auf einen Stuhl und schloss sein Cello an einen Verstärker. Auch das eher ungewöhnlich. Zwar haben es schon Geiger wie der Franzose Jean-Luc Ponty oder die singapurisch-britische Vanessa Mae vorgemacht, aber in Deutschland ist das nach wie vor selten zu sehen. Außerdem nutzte Cellolitis die Elektronik, um mit der sogenannten Loop-Technik ein ganzes Ensemble zu schaffen. Dazu nahm er live Rhythmen und Melodien auf, die ihm dann sofort als Begleitstimmen dienten.
Auf den Flügeln des Klangs: Nikolaus Herdieckerhoff alias Cellolitis
Energiegeladen sprudelten Klangfarben, Gefühle wurden ausdrucksstark vertont. Der Cellist moderierte, sang und sprach über seine gesellschaftspolitisch bedingte Wut, die bei ihm offensichtlich kreativ verarbeitet wurde. Die spürbare Begeisterung des Musikers für sein Instrument übertrug sich auf das Publikum und so war es folgerichtig, dass Herdieckerhoff nicht ohne Zugabe von der Bühne ging.
Mit Fortefortissimo ins Finale
Das große Finale des Abends leitete die achtköpfige Gitarren-Indiepop-Band Belmondo-Beat ein. Im Fortefortissimo boten sie Komponenten der 60er-Jahre Psychedelic-Musik und des Glamrock, gepfeffert mit etwas Punk. Mehrere Zuhörer meinten schon beim Auftakt die Leine beben zu hören und gingen rasch aus Ohrweite der großen Lautsprecherboxen.
Drehten zum Abschluss mächtig auf: Belmondo Beat
Anschließend ließ DJane Barbara den ersten KULTURKIOSK geschmackvoll musikalisch ausklingen. Im nächsten Frühjahr wird es dann wieder eine Tüte Buntes von der langenleine geben.
(Fotos: Heike Werner)
Weil Ihr Euch mit Eurem Online- Portal sehr viel Mühe gebt, muss ich diesen Artikel dann doch mal kommentieren. Denn als Veranstalter lauft Ihr Gefahr, Eurem eigenen journalistischen Anspruch durch Schönfärberei nicht genüge zu tun.
So sah es der im Juni noch begeisterte Gast:
– Peter Märtens war in der Tat witzig ohne dabei flach zu sein – gut der Mann.
– Der „Puppenspieler“ war, sein wir mal ehrlich, eine mittlere Katastrophe. Was für eine dreist geklaute, schlecht gemachte Nummer und warum sagt keiner einem Mann jenseits der 40, dass man sich für die Bühne was Akzeptables anziehen darf? Aua!
– Thommi Baake a.k.a. Lothar war soooo flach (kam aber trauriger weise relativ gut beim Publikum an) und schlecht, dass die Projektorproblem den größten Unterhaltungswert boten. Mein Gott, mit wie wenig sind die Leute schon zufrieden? Bei RTL 2 werden auch schlechte Filme gezeigt und zwischendurch wird Scheiße verramscht…
– Cellolitis hat mir den Abend gerettet! Wenn man solche Künstler entdecken darf, war das Ausgehen am Abend nicht vergebens!!!
– Belmondo Beat waren nach blumigster Ankündigung für mich über die Schmerzgrenze hinaus. Warum bei einem solchen Anlass eine schlechte Rockband auf einen sitzenden Saal losgelassen wird, ist mir völlig unverständlich. Konzeptioneller Anfängerfehler. Außerdem schien sich die Band in der langen Zeit im Backstage so am Bier vergriffen zu haben, dass da nur noch ganz wenig ging. Da groovte nix – Entertainment auf Hartz IV Niveau – wieder Aua!
– Aprospros lang! Bezahlt ihr die Moderatoren nach Bühnenzeit? Das muss doch weniger ausschweifend und knackiger gehen. Das war mir auch schon im Juni aufgefallen, aber da hats nicht so genervt, weil das Programm stimmiger und besser war.
Fazit: Gegenüber der ersten Langenleine- Party ein Abfall von 60%, würde es so bleiben, bräuchte man schon zum nächsten Kulturkiosk nicht mehr kommen. Bitte gegensteuern.
Ist jetzt vielleicht ein bisschen schocking für Euch, aber die Kritik ist gut gemeint.
Komme trotzdem nochmal Friedo
P.S.: Aber dass die Gastro in der Faust ne Katastrophe ist, wusstet Ihr schon, oder?
Hallo Friedo,
vorweg: Herzlichen Dank für die Anerkennung der Mühe, die wir in unser Online-Journal stecken. Sicherlich sind wir der Meinung, dass wir uns ebenso liebevoll und engagiert bemühen, unsere Veranstaltungen und den Kulturkiosk mitreißend zu gestalten und zu präsentieren. Das überwiegend positive Lob zur letzten Veranstaltung zeigt uns, dass wir mehr als nur auf gutem Wege sind.
Aber natürlich trifft die Auswahl der präsentierten Künstler nicht immer jeden Geschmack. Hinzu kommt, dass Live-Auftritte mitunter nicht unerheblich von der Tagesform der jeweiligen Künstler abhängen. Nicht zuletzt macht das einen Auftritt „menschlich“. Dennoch gilt es natürlich zu fragen, wo die Selbstwahrnehmung als „Bühnenprofi“ anfängt zu greifen, wenn man ein Engagement annimmt.
Insofern sammeln auch wir als Veranstalter ständig Erfahrungswerte, die wir mit Hilfe Eures Lobes aber auch mit Eurer Kritik in den Kulturkiosk einfließen lassen werden. Lass Dich also weiterhin von uns überraschen – Du wirst nicht enttäuscht werden.
In diesem Sinne nur das Beste von der langenleine, wir freuen uns auf Dich beim nächsten Mal!
Henning
P.S.: Die Gastro in der Faust liegt leider nicht in unseren Händen – aber auch hier wird konstruktive Kritik gerne entgegengenommen. Schau einfach mal unter: http://www.faustev.de
In dieser Stadt wird viel zu wenig für die Weblog-Betreiber getan. Da gibt es Anregungen und Texte en masse, wenn man ein Abendprogramm vielseitig, „spannend“ und abwechslungsreich gestalten – und halten will. Derartige Lesungen – auch mit kritischen Texten (unterlegt mit Leinwand-Illustration und etwas Begleitmusik) können zu einer „runden Sache“ werden.
Interessiert? Dann sieht man sich ja vielleicht mal wieder.?
LG Mondreiter