Seitenansicht: „Fegefeuer“ von Sofi Oksanen
Sofi Oksanen: „Fegefeuer“, Roman, 400 Seiten, Kiepenheuer & Witsch, ISBN-13: 978-3462042344, 19,95 Euro
Mit ihrem dritten Roman „Fegefeuer“ erobert die finnisch-estnische Schriftstellerin Sofi Oksanen auch hierzulande das Feuilleton. Kunstvoll verbindet sie die Zeit des Kalten Krieges und die gemeinsame Geschichte zweier Frauen, die sich in der Gegenwart begegnen. Aliide Truu lebt auf einem Bauernhof im post-sowjetischen Estland. Eines Tages entdeckt die alte Frau die junge Russin Zara in ihrem Garten, die vor ihren Zuhältern auf der Flucht ist. Trotz einigen Misstrauens nimmt sie Zara bei sich auf. Während die Verfolger das Netz enger ziehen und die Zeit schwindet, bis sie Zaras Zuflucht erreicht haben, nähern sich die beiden Frauen einander an, und es offenbart sich, dass Zara nicht zufällig zu Aliide gefunden hat. Denn ihre beiden Schicksale sind eng miteinander verknüpft. Beide Frauen sind Opfer eines von Männern dominierten Systems.
Sofi Oksanen ist ein Buch voller Analogien gelungen, zum Beispiel die der Annexion eines souveränen Staats durch ein diktatorisches System und der Ausbeutung des weiblichen Körpers. Wie in den Strudel eines Abflusses werden die Leser in die Handlung hineingezogen. Mit großer Souveränität und sprachlicher Intensität wagt sich Oksanen an schwierige Themen, ohne dass man den Eindruck bekommt, die Autorin habe sich zu viel aufgebürdet. Ein wunderbares Buch, dem hoffentlich bald auch Oksanens andere Werke in hiesige Buchhandlungen folgen.